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Beschreibung
eines Nachttauchgangs in Norwegen
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Es war gegen 23.30 Uhr, als die Sonne anfing
glutrot im Nordatlantik zu versinken. Es waren keine Wolken am Himmel
und es versprach eine sternenklare Nacht zu werden. Die Bedingungen
waren also optimal, es herrschte fast Windstille und die Strömung
in den Riffs ließ nach, da es bereits eine Stunde vor Hochwasser
war. Wir machten uns tauchklar und checkten unsere Lichtversorgung.
Dann schmissen wir den Außenborder unseres Bootes an und fuhren
unseren Spot an, den wir uns vorher ausgesucht hatten. Wir ankerten
auf einem sandigen Plateau in der Nähe des Ufers, in 8 Metern
Wassertiefe. Wir wollten gen Osten zu der Steilkante des Plateaus
tauchen, das laut Echolot terrassenförmig auf 95 Meter abfiel.
Ein letzter Check der Instrumente, wir schalteten unsere Blitzer
und Lampen ein und ließen uns dann, als die ersten Sterne
am Himmel auftauchten, über Bord kippen. Wir
tauchten am Ankerseil hinab in die
Dunkelheit und
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kontrollierten im Schein der Lampen, ob der Anker genügend
Halt hatte. Dann nahmen wir unseren Kurs auf und tauchten in Richtung
Steilwand nach Osten. Das Erste auf das unsere Lichtkegel auf dem
sandigen Boden stießen war eine große Scholle, deren
rote Punkte so groß wie 50Cent Stücke waren. Direkt hinter
ihr lagen noch zwei schöne Flundern. |
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Wir
gewannen etwas an Tiefe und kamen in 15 Meter tiefes Wasser, als
mich mein Tauchpartner auf den Seeteufel aufmerksam machte, über
den ich fast hinweg getaucht wäre. Er lag in einer kleinen
Sandkuhle und hatte seine Hautfarbe exakt der des Untergrundes angepasst.
Er nahm keine Notiz von uns und vertraute voll auf seine Tarnung.
Wir tauchten weiter und passierten einige rote Knurrhähne,
die mit den Strahlen ihrer Brustflossen nach Nahrung im sandigen
Untergrund tasteten. Als unsere Lichtkegel am Boden auf einige Kamm-Muscheln
stießen, klappten diese ihre Schalen vor Schreck zusammen.
Direkt neben ihnen kroch ein faustgroßer Seeigel über
den Boden und streckte uns seine spitzen Stacheln entgegen. In 25
Meter Tiefe wurde der Untergrund felsiger und wir wussten, dass
die Kante zur Steilwand nicht mehr weit sein konnte. Plötzlich
blitzten in meinem Lichtkegel in einiger Entfernung zwei große
Augen auf. Ihre Netzhäute reflektierten das Licht wie bei Katzen
in der Nacht. Wir tauchten näher heran und schwebten plötzlich
vor einem ca. 1 Meter langen Lengfisch, der regungslos auf dem Grund
verharrte. Er war von dem grellen Licht so irritiert, dass wir ihm
regelrecht über den breiten Rücken streicheln konnten.
Nach einiger Zeit wurde ihm das jedoch zu bunt, er machte eine schnelle
Bewegung und verschwand in einer Wolke aus aufgewirbeltem Sediment.
Als wir den Aufwirbelungen folgten, sahen wir dass er sich in eine
große Höhle unter einem Felsen zurückgezogen hatte.
Wir leuchteten noch einmal hinein und sahen, dass der Leng noch
einen Untermieter hatte. Denn aus der Höhle streckte uns ein
stattlicher Hummer seine langen Fühler entgegen. Wir tauchten
weiter und erreichen eine Minute später die Kante zur Steilwand.
An ihr standen einige kleine Rotbarsche vor ihren Höhlen und
im Geröll am Grund saßen mächtige Taschenkrebse
und aus einigen kleinen Ritzen guckten die kleinen Zangen von Furchenkrebsen
hervor. |
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Wir
glitten über die Kante, die Lichtkegel unserer Lampen erreichten
nicht den Grund. Sie verloren sich in der Tiefe und wurden vom Schwarz
der Dunkelheit verschluckt. Wir sanken im freien Fall an der nahezu
nackten Felswand hinab, die Umrisse von großen Überhängen
wirkten bedrohlich. An der Steilwand wurde eine Seespinne von unseren
Lampen erfasst. Das Aussehen ihres großen, roten und mit Spitzen
übersäten Panzers wirkte bizarr. An einigen Stellen siedelten
kleine Schwämme am Fels und fast durchsichtige Seescheiden
hatten kleine Kolonien an der Steilwand gebildet. Mein Computer
zeigte eine Tiefe von 37 Metern an, als wir auf einem kleinen Vorsprung
eine medizinballgroße, rot/weiße Seedalie entdeckten.
Wir genossen einige Zeit den Anblick dieses prachtvollen, filigranen
Lebewesens und entschlossen uns dann, es bei dieser Tiefe zu belassen
und den Rückweg anzutreten. Wir stiegen wieder zur Kante hinauf
auf 25 Meter, wo uns eine an der Wand klebende Seezunge neugierig
betrachtete und tauchten in einem Bogen zum Boot zurück. Kurz
nachdem wir die Kante hinter uns gelassen hatten und wir noch einen
Blick auf einen schönen, orangen Stamm der Toten Mannshand
geworfen hatten, beleuchteten unsere Lichtkegel das Rückrad
eines kapitalen Dorsches an einer Felskante. Meine geballte Faust
hätte ohne Mühe in sein Maul gepasst. Sein Anblick verleitete
mich unweigerlich an mein leibliches Wohl zu denken und so sah ich
kurz vor meinem geistigen Auge ein großes, leckeres Dorschfilet
mit Bratkartoffeln in einer Pfanne brutzeln (unser Standardessen
in Norwegen). Wir ließen ihn jedoch ziehen.
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Als
wir wieder eine Tiefe von 12 bis 15 Metern erreicht hatten, tauchten
vor uns große Kelppflanzen auf, die sich leicht in der Strömung
hin und her wiegten. Im Schutze dieser großen Pflanzen standen
kleine Schwärme von jungen Seelachsen, deren silbrige Körper
synchron versuchten den Lichtkegeln unserer Lampen zu entkommen. An
uns trieben auch einige Quallen vorbei. Die große Seestachelbeere,
an deren Rippen regenbogenfarbene Wellen entlang liefen, sah aus wie
ein kleines futuristisches Mini-U-Boot. Die pumpenden Bewegungen des
Schirms einer Nesselqualle, wirkten im Scheinwerferlicht noch bizarrer
als am Tage und eine Miniqualle, die vor meinem Makroobjektiv einen
Tanz abzuhalten schien, sah aus wie ein kleines Raumschiff. Der Tauchgang
neigte sich nun seinem Ende zu. Wir machten unseren Sicherheitsstop
in 4 Meter Wassertiefe, als mein Tauchpartner eine schnelle Bewegung
mit der Flosse machte und plötzlich das Wasser anfing grün
zu leuchten. An der Stelle bildete sich eine kleine Wolke aus hunderten
kleiner grün-leuchtender Punkte im Wasser, die aussahen wie kleine
Glühwürmchen (Nachts steigt das Plankton in die obersten
Wasserschichten und bei schnellen Bewegungen in dieser "Suppe",
erzeugt man eine fluoreszierende, chemische Reaktion beim Zooplankton).
Wir fingen an, mit unseren Händen vor unseren Masken rumzuwedeln,
um dieses Phänomen aus nächster Nähe zu bewundern.
Hätten uns andere Taucher gesehen, hätten sie mit Sicherheit
gedacht, dass wir noch unter den Folgen eines Tiefenrausches litten.
Als wir dann auftauchten, strahlte über uns am Himmel die helle
Sichel des Mondes und wir beendeten wohl einen der eindrucksvollsten
Tauchgänge in Norwegen.
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